Veranstaltung Wissen schaffen wissnet

Bienen und Revolutionen, Chancen und Visionen

Gut ein Jahr nach Abschluss unseres gemeinsamen BMBF-Projekts #meerdavon haben wir unsere wissnet-Kolleg*innen endlich mal wieder in echt getroffen. Bei unserer gemeinsamen Kurzkonferenz in Hannover ging es zwar nicht um alles, aber um viele interessante Themen.

Was wollen wir eigentlich als Wissenschaftsläden mit einem Netzwerk? Brauchen wir das wirklich, wie viel Energie stecken wir ins Geben und Nehmen? Es war ein diskussions- freudiger Nachmittag im Institut für Umweltplanung der Hannoveraner Uni. Obwohl sich die meisten schon lange kennen, stellte jeder Wila noch einmal das eigene Konzept, die individuellen Ansätze und besondere Projekte vor.

Leidenschaftlich und kontrovers haben wir über unsere Ziele, gerade auch innerhalb des Netzwerks diskutiert. Wie weit wollen oder müssen wir uns kapitalistischen Kriterien anpassen? Wie wichtig sind Komunikation und Öffentlichkeit? Lohnt es sich, (nur) auf der lokalen Ebene zu arbeiten oder sollte es eher um europäische Kooperationen gehen?

Was kann ein Netzwerk leisten, wie können wir über die Entfernung die organisatorischen Aufgaben erledigen? Wie werden wir als einzelner Wila und als Netzwerk bekannter?

Und wie viel Zeit hat jede und jeder von uns – für die Wila-Arbeit, für die Netzwerkarbeit? Vor allem für ehrenamtlich arbeitende Initiativen kommt noch die Frage der Finanzierung hinzu. Denn natürlich ergibt sich nicht aus jeder Arbeit ein (bezahltes) Projekt.

Fragen. Immer nur Fragen.

Wie steht es um die gegenseitige Unterstützung? Wer kann eigentlich was, hat welche Kompetenzen? Wie schwierig ist der Austausch, wenn wir so unterschiedliche Strukturen und Inhalte vertreten? Wo liegen unsere einzelnen und gemeinsamen Schwerpunkte: Projekte generieren? Haltung diskutieren? Über wissenschaftlich wichtige Themen debattieren? Einsist klar: Wir nutzen unsere Vielfalt als Chance für Kreativität.

Film trifft Wissenschaft.

Für den Abend hatten die Hannoveraner Gastgeber*innen Samantha und Felix etwas Besonderes geplant und uns zur SCIENCE MOVIE NIGHT im Schloss Herrenhausen eingeladen. „More than Honey“ hieß der Film von Markus Imhoof, der sich schon als kleiner Junge für Bienen interessierte.

Anschließend debattierte der Schweizer Regisseur mit Wissenschaftlern über Soziologie, Biologie und Bienenforschung. Es war eine sehr spannende Diskussion, in der es nicht nur um Individuen und Gesellschaft bei den Bienen ging, sondern eben auch im menschlichen Zusammenleben. Imhoof: „Ich will etwas anstoßen, damit man weiterdenken kann. Damit man Selbstverständlichkeiten hinterfragt.“

Eine interessante These stellte der Berliner Biologe Prof. Dr. Randolf Manzel auf: „Die Gemeinschaft funktioniert nur, wenn sich das Individuum eher dumm verhält.“ Zwar sei jedes Tier für sich intelligent, aber Schwarmintelligenz funktioniere eben nicht individuell. Auch das ist wahrscheinlich auf die menschliche Gesellschaft übertragbar.

Dr. Stephan Lorenz vom Institut für Soziologie der Universität Jena unterstrich den politischen Ansatz des Films und sprach u.a. über den Wandel bei Naturphänomen und Gesellschaft.

Auch wenn es mich (Katrin) sehr irritiert hat, dass es keine Frauen bei diesem so spannenden Thema aus Naturwissenschaft und Gesellschaft zu geben scheint (schließlich war keine eingeladen), war der Abend sehr inspirierend.

Selbstverständlich. Verstehen.

Mehr als 40 Jahre ist es her, dass in den Niederlanden die ersten Wissenschaftsläden gegründet wurden. Seitdem ist gesellschaftlich, (natur)wissenschaftlich und technologisch unglaublich viel passiert. Vor allem durch die digitale Transformation mit all ihren Vor- und Nachteilen hat sich auch das Selbstverständnis von Wissenschaftsläden geändert – sollte es wenigstens.

Darüber haben wir am zweiten Tag diskutiert und uns u.a. gefragt, welche Konsequenzen man als Individuum aus der Wissenschaft ziehen kann. Ist Wissenschaft vielleicht eine „ordentliche“ Sekte? Wie steht es um Freiheit und Wissenschaft? Was lässt sich objektiv bzw. intersubjektiv feststellen? Und was ist in diesen Zusammenhängen die Aufgabe von Wissenschaftsläden?

Können und wollen wir so effektiv und wissenschaftlich so arbeiten, dass wir die Verhältnisse ändern können?

Wissenschaft und Widerstand.

Unstrittig war bei der Diskussion, dass Forschung strukturell die Interessen der Wirtschaft bedient. Aber gibt es DIE Forschung? Es sind doch Subjekte, also Individuen, die handeln und entscheiden.

Ist es die Aufgabe der (universitären) Wissenschaftsläden, die Wissenschaft immer wieder auf ihre gesellschaftliche Verantwortung hinzuweisen? Ist ein Wissenschaftladen nur ein Dienstleister oder haben auch wir eine besondere Verantwortung? Wie und wo können wir Bürgerinnen und Bürger einbeziehen?

Wie werden wir verstanden? Was verstehen WIR eigentlich unter Wissenschaft? Und was ist der Unterschied zwischen herrschender Wissenschaft, Bürgerwissenschaften und Citizen Science? Gibt es eine objektive Wissenschaft, mit Ergebnissen, auf die wir uns verlassen können?

Tun und lassen. Denken und Handeln.

  • Wir wollen Dinge anstoßen und den Dialog zwischen allen Beteiligten anschieben (im Idealfall sogar verbessern).
  • Wir wollen die Gesellschaft (zum Positiven) verändern.
  • Wir wollen stärken und nicht nur appellieren.
  • Wir wollen informieren, damit jede*r besser entscheiden und Verantwortung übernehmen kann.
  • Wir wollen Wissenschaft thematisieren.

Von Wila zu Wila

Diesen zweiten Arbeitstag haben wir in der Bürgerschule in der Nordstadt verbracht. In einem schönen Backsteinbau aus dem 19. Jahrhundert sind zahlreiche Initiativen zu Hause, u.a. ein weiterer Hannoveraner Wissenschaftsladen.

Der heißt heute Hannah-Arendt-Bibliothek und dokumentiert seit den 1980er-Jahren vor allem Erzählungen, Texte und Informationen von Migrant*innen.

In wunderschönen hellen und hohen Räumen haben Walter Koch und sein Team hier tausende Medien aus Griechenland, der Türkei, Iran, Irak und vielen weiteren Ländern gesammelt.

Das geht. Das kommt.

Wir alle fahren mit genügend Inspirationen und Aufgaben nach Hause: aktiver sein in den sozialen Netzwerken, mehr Zusammenarbeit mit lokalen Initiativen, eine Netzwerkkonferenz, ein Projektantrag stehen für 2019 auf unserem Plan. Und über unser Selbstverständnis werden wir auch weiterhin streiten.

Links

wissnet
Bürgerschule
VW-Volkswagenstiftung – Science Movie Night
Hannah-Arendt-Bibliothek